Vor 1 Jahr bin ich aus dem Zug aus Deutschland in Haarlem ausgestiegen. Mein Freund wartete vor dem Bahnhof und ich hab‘ ihm happy entgegengerufen: „Ik ben een nieuwe Nederlander!“ [Ich bin ein neuer Niederländer]. Ich war ziemlich glücklich, dass nach Peru, Spanien und Griechenland ein neues Auslandsabenteuer begonnen hat. Leben in den Niederlanden, meine Eindrücke und Gedanken dazu.
Große Fenster, viel zu sehen
Das erste Mal in den Niederlanden war ich bereits im April 2015. Ich erinnere mich noch vor allem an die sehr großen Wohnzimmerfenster, in die man einfach reinglotzen konnte. Ich hab echt alles gesehen: Pärchen, die zusammen kochen; Kinder die Playstation spielen; alte Damen, die puzzeln. Die Niederländer lieben ihre großen Fenster und blockieren diese nicht mit Hecken oder Gardinen. Es gehört zum guten Ton, nicht rein zu gucken. Ich kann dem immer noch nicht widerstehen, denn was man zu sehen bekommt, gefällt mir total.
Grün, grün, grün
In vielen Großstädten habe ich nicht wirklich das „Stadt Gefühl“. Das liegt daran, dass die Städte hier sehr grün sind. Viele Bäume, Parks und Wälder geben einem ein ländliches Gefühl. Man ist mit dem Fahrrad auch schnell raus aus der Stadt und kann über Weidefelder und Deiche wandern.
In den typischen Reihenhaus Nachbarschaften hat eigentlich jeder Pflanzenkübel oder Sträucher vor seinem Haus. Das macht die Straßen sehr gemütlich und bunt. Die Sträucher verdecken ein wenig den Blick in’s Wohnzimmer und im Sommer genießen die Niederländer ein Gläschen Wein vor ihrem Haus im Schatten. Ich fühle mich dann eigentlich fast schon wie in Südspanien oder Griechenland.
Leben in den Niederlanden = Leben am Wasser
Für alle Geschichtsinteressierten: die Niederländer waren im 18. Jahrhundert neben Großbritannien die mächtigste Seefahrernation in Europa. Das niederländische Kolonialreich erstreckte sich von Südamerika bis nach Indonesien. Die Niederländische Ostindien-Kompanie brachte in die Häfen von Amsterdam Gewürze und andere Waren aus den Kolonien. Die Kenntnisse in der Seefahrt halfen den Niederländern dabei Amsterdam als Handelszentrum Europas aus zu bauen.
Heutzutage merkt man die Liebe zur See immer noch. Jede/r, der ein bisschen Geld übrighat, legt sich ein kleines Motorboot zu, um damit durch die Kanäle der Stadt zu fahren. Mit Freunden wird gerne ein Gläschen Wein getrunken während man auf dem Boot das gute Wetter und die Stadt vom Wasser aus genießt. Ich durfte das Boot meiner Sprachschule ausleihen. Boot fahren ist wirklich nicht einfach. Es ist überhaupt nicht mit Autofahren zu vergleichen. Das Rückwärtseinparken war das schwerste: wir haben fast eine halbe Stunde gebraucht das 7m lange Boot ein zu parken. Übrigens: das Hobby wird immer beliebter. Zurzeit warten 500 Boote darauf, einen Parkplatz in Haarlems Kanälen zu bekommen.
„Wie, ich muss nicht 1-mal im Jahr zum Zahnarzt? Was ist dann mit meinem Bonusheft?“
Ja ja, das Gesundsheitssystem hier. Zugegeben: ich vermisse die deutsche Vorsicht, was meine Gesundheit angeht. 1-mal im Jahr zum Frauenarzt und Zahnarzt zu gehen fand ich sehr beruhigend. Man weiß dann einfach: ok, alles in Ordnung. Bis nächstes Jahr! „Ja, das ist sehr deutsch. Wir Niederländer machen das nicht so“, schmunzelte meine Hausärztin hier in Haarlem. Heißt also: bis mir nichts wehtut, wird mich ein Frauen- oder Zahnarzt wohl kaum behandeln. Vorsorgeuntersuchungen werden hier ein wenig belächelt. Ich muss auch immer erst zum Hausarzt gehen. Der Hausarzt entscheidet dann ob eine Überweisung zum Spezialisten nötig ist. Nervig.
Aber, wie in vielen anderen Ländern außer Deutschland: Medikamente sind hier viel günstiger. Ich bezahle für ein halbes Jahr Anti-Baby-Pille knapp 11€. In Deutschland müsste ich 35€ bezahlen. Mehr zum Gesundheitssystem gibt’s bald.
Fisch
In jeder anständigen Nachbarschaft findest du einen Supermarkt, eine Bäckerei, einen Blumenhändler und einen Fischhändler. Fangfrischer Fisch aus der Nordsee wird verkauft und einige selbstgekochte Gerichte wie Fischsuppe. Seitdem ich in Haarlem lebe, esse ich mehr Fisch als Fleisch. Mindestens 1-mal pro Woche gibt es Lachs und als Nachmittags Snack bin ich schon ganz die Niederländerin und esse gerne einen Hering mit Zwiebeln.
Ein Fischimbiss auf dem Albert Cuypmarkt. Hering mit Essiggurke und Zwiebel.
In beinahe jedem Restaurant, vor allem hier in Noord Holland, findest du darum auch mindestens eine Hauptspeise mit Fisch. Beim Fischimbiss solltest du dich auf jeden Fall durch Kibbeling, Hering, Hollandse Garnalen und Fischbrötchen durchprobieren.
Mein Fazit: Leben in den Niederlanden
Woran ich mich immer noch gewöhnen muss:
- Niederländer gratulieren sich auch vor ihrem Geburtstag
- Man muss im Haus nicht die Straßenschuhe ausziehen
- „Du“ zum Chef sagen
- Niederländer können laut sein
- Dass ein Boot kaufen, noch nicht in meinem Budget drin ist
- Und ganz eindeutig: Wind
Was ich liebe:
- Fahrrad fahren
- Den Laden Dille & Kamille
- Boot fahren
- Blumentöpfe, die vor Häusern stehen
- Die Architektur
- Fisch
- Die Gastronomie
- Dass es im Sommer sehr lange hell ist
- Am Strand chillen
Blick in die Zukunft? Niederlande, ich bleibe noch eine Weile!